Rundgang
auf den Spuren der jüdischen Geschichte von Lockenhaus
Der Rundgang beginnt beim Shoa-Mahnmal (1) und endet wieder beim Shoa-Mahnmal (8)
1 Shoa Mahnmal/Deportationsplatz (zwischen Hauptstraße 21/23)
2 Wohnhaus der Familie Stössel und Synagoge (Hauptstraße 21)
3 Das „Süsshaus“ (Hauptstraße 38), Wohnhaus der Familie Stössel und Familie Süss
4 Haus und Geschäft der Familie Hoffmann-Hacker (Hauptstraße 33)
5 Haus und Geschäft der Familie Leitner (Hauptstraße 14)
6 Wohnhaus und Geschäft der Familie Kopfstein (Hauptstraße 12, Hauptplatz)
7 Geschäft und Wohnhaus der Familie Stössel (Hauptstraße 13)
8 Shoa Mahnmal /Gedenkort (Hauptstraße 21/23)
Das frühere Wohnhaus der Familie Kopfstein befand sich in der Klostergasse 8 und ist beim Rundgang nicht dabei (kleiner Stern ohne Nummer).
1.
Ausgangspunkt für den Rundgang ist der Platz beim Shoa Mahnmal. Hier ist der zentrale Ort für die jüdische Geschichte von Lockenhaus. Hier befand sich bis 1938 die Synagoge von Lockenhaus, das private Bethaus der Familie Stössel und ihr Wohnhaus. Hier ist der Platz, wo im April 1938 der Deportationswagen mit den bis dahin noch in Lockenhaus lebenden Juden und Jüdinnen abfuhr. Hier steht seit 2008 das Mahnmal für die Lockenhauser Opfer der Shoa. Das Mahnmal wurde 2018 restauriert, damals waren dreizehn Shoa Opfer aus Lockenhaus namentlich bekannt. Heute weiß man von 26 Lockenhauser Opfer der Shoa. (Stand 2023)
2.
Der straßenseitig gelegene Teil des Gebäudes war das Wohnhaus der Familie Maier Stössel, später das Heim der Familien des Shmuel Stössel und des Ignatz Stössel. In einem der vorderen Räume befand sich einige Zeit ein kleines Geschäft, zeitweise war auch der Friseur des Dorfes eingemietet, wie es auf einem alten Foto zu sehen ist. Im Wohnhaus in der Hauptstraße 21, lebten Maier Isidor (+1885) und seine Frau Hendel (+1893) ca. seit dem Jahr 1869. Später bewohnte sein Sohn Max Stössel (+1909) und seine Enkel Shmuel Stössel (+1921) und Ignatz Stössel mit deren Familien das Haus. Ein Teil des Hauses, mit einem Geschäftseingang straßenseitig war um 1903 an Nikolaus Munar vermietet, der hier einen Friseurladen führte.
Ignatz Stössel (1878-1941) war verheiratet mit Gittel (geborene Blum aus Krumbach). Sie hatten sieben Kinder. Nach der Vertreibung aus Lockenhaus lebte die Familie einige Zeit in Wien und musste die Reichspogromnacht vom 9. November 1938 in der Stadt miterleben. Ignatz wurde in diesen Tagen mehrmals misshandelt. Auf verschiedenen Wegen konnten alle aus der Familie Ignatz Stössel aus Österreich fliehen, die Nachkommen leben heute in Israel, England und Canada.
Die Synagoge war an das ebenerdige Wohnhaus in der Hauptstraße 21 im Hof angebaut. Sie war höher als das Wohnhaus und damit vom Hauptplatz aus gut sichtbar. Das private Bethaus, von der Bevölkerung „Judentempel“ genannt, wurde um 1880 aus Eigenmitteln von Maier Isidor Stössel, der aus Lackenbach stammte, errichtet. Sie war für die jüdische Bevölkerung aus der Umgebung ein Ort wo man zu den jüdischen Feiertag zusammenkam. Im Jahr 1938 wurden die Innenräume geplündert und demoliert. Die beiden Thorarollen wurden von Ignatz nach Wien gerettet, wo sie allerdings beim Brand der Schiff-Shul-Synagoge vernichtet wurden. Das Wohnhaus wurde von der örtlichen NSDAP als Büroräume benützt. Das Schild an der Eingangstür wurde 1945 von Soldaten der russischen Armee abmontiert (Foto)
Auf der alten Postkarte (Foto) ist die Synagoge, das Gebäude mit hohen Rundfenstern, gut erkennbar. Ein Foto zeigt die Synagoge hofseitig. Sie fasste ca. 80 Personen und hatte auch eine Frauengalerie, die auf Eisensäulen gestützt war. Parterre und Galerie waren mit Sitzbänken ausgestattet. Die Decke war auf Eisenträgern eingewölbt und hatte seitlich eine Hohe von 6.50 m. Im Hof, eingedeckt mit Dachziegeln, befand sich eine Mikwe.
Heute sind beide Gebäude baulich verändert, das ehemalige Synagogengebäude ist ein privates Wohnhaus, der vordere Teil, das ehemalige Wohnhaus wurde aufgestockt, in den unteren Räumen befindet sich seit Ende des 2 Weltkriegs bis heute ein Caféhaus, das oberen Stockwerk beherbergt Mietwohnungen.
Mehr über die Synagoge hier.
3.
Wolf Stössel übernahm das Haus und das Geschäft ca. ab 1869. Er war verheiratet mit Sophie Gerstl Aegid Schermann schreibt in seiner Chronik: „Wolf neben der Notariatskanzlei … machte gute Geschäfte. Besonders die Schnittwaren, Leder-, Mehl- und Eisenhandlung und auch der Schnaps trugen viel Geld ein. Wolf brachte aber große Opfer für die Erziehung seiner Kinder“. Wolf und Sophie Stössel hatten sechs Kinder.
Max Stössel (1880-1944) der zweitälteste übernahm das Geschäft in der Hauptstraße 38. Er war verheiratet mit Recha (geb. Blum aus Krumbach) und hatte fünf Kinder (Wilhelm, Moritz, Sophie, Gertrude, Johanna), die zwischen 1919 und 1929 in Lockenhaus geboren sind. Max diente im 1. WK und die Inflation nach dem Krieg führte zum Konkurs des Geschäfts. Die Familie ging im Jahr 1934 nach Oberwart. Nach ihrer Deportation nach Wien lebte die Familie in Sammelwohnungen im 2. Bezirk (Herminengasse und Franz Hochedlinger Gasse), bis alle sieben Familienmitglieder gemeinsam 1942 nach Theresienstadt deportiert wurden. Mit einem der letzten Transporte im Jahr 1944 wurden sie, mit Ausnahme von Sohn Moritz, nach Auschwitz gebracht und dort ermordet. Moritz Stössel starb kurz vor der Befreiung im März 1945 in Kaufering einem Außenlager vom KZ Dachau. Mehr über das tragische Schicksal der Familie hier.
Der spätere Besitzer des Hauses in der Hauptstraße 38 war Dr. Alexander Samuel Süss, geboren in Kisjenö, Westungarn, heute Rumänien. Er kam nach Beendigung seines Studiums in Wien im Jahr 1891 nach Lockenhaus und übernahm die Stelle des Kreisarztes in Lockenhaus. Er dürfte gemeinsam mit der Familie des Max Stössel bis diese 1934 nach Oberwart zogen, im selben Haus gewohnt haben. 1931 ging er in Pension, praktizierte aber weiterhin. Er wurde zum Medizinalrat ernannt und hatte ein Verdienstkreuz. Dr. Süss war verheiratet, im Jahr 1938 bereits verwitwet. Er hatte zwei Töchter, Irene (*1896) und Piroska (*1901). Beide sind in Lockenhaus geboren. Zum Haus Hauptstraße 38 gehörten auch landwirtschaftliche Grundstücke, wie Äcker im Breitfeld und am Pullersberg, Weiden am Schweinriegel und am Waldriegel.
Dr. Alexander Süss und Tochter Irene wurden aus Lockenhaus vertrieben, sie lebten bis zum Jahr 1942 in verschiedenen Wohnungen (Sammelwohnungen) in Wien. Dr. Süss, der von Zeitzeugen immer als gutherzig und wohltätig beschrieben wurde, starb 1942 78-jährig in Theresienstadt, seine Tochter Irene in Maly Trostinec. Tochter Piroska war verheiratet in Wien mit Arthur Juran und überlebte den Holocaust. Sie hatten eine Tochter namens Ruth.
Während des Krieges war im Haus das Grenzzollkommissariat untergebracht.Dr. Süss beschreibt in einem Brief im Jahr 1940, dass sein Haus in gutem Zustand sei und es1932 frisch renoviert worden war. Es gab viele Interessenten für das gut erhaltene Haus, das in den offiziellen Schätzungen als heruntergekommen beschrieben wurde. Kaufanträge und Kaufverträge gab es viele. Verkauft wurde das Haus nach dem Krieg. Heute ist es ein privates Wohnhaus.
4
Der Kaufmann Johann Hoffmann stammte aus Lackenbach und kaufte ca. 1869 das Anwesen in der Hauptstraße 33. Es bestand aus 2 Häusern, eines an der Straße, eines im Hof. Die Familie Hoffmann betrieb ein Gemischtwarengeschäft. Die Tochter Hermine, geboren 1879 in Lockenhaus heiratete Moritz Hacker aus Wien (geb.1866 in Lackenbach). Sie übernahm das Geschäft. Sie wohnten in dem Haus im Hof. Mitte der 1930er Jahre ging das Geschäft, wie alle jüdischen Geschäfte im Land nicht mehr gut. Der Garten war seit 1936 an Karl Rahberger verpachtet, der hier Gemüse anbaute. Die Familie blieb bis April 1938 in Lockenhaus und wurde mit den anderen jüdischen Einwohnern gezwungen, Lockenhaus zu verlassen. Das Geschäft wurde von der örtlichen NSDAP „verwaltet“. Im Juli 1938 waren Hermine und Moritz Hacker in Wien im 2. Bezirk, Czerninplatz 5/6 gemeldet und werden als hochbetagt beschrieben. Sie versuchten verzweifelt vor der Vermögensverkehrsstelle, eine Beschlagnahme des Besitzes zu verhindern und wollten auch keine Verzichtserklärung unterschreiben. Im Mai 1939 wurde jedoch die Zwangsversteigerung eingeleitet. Am 17.10.1941 übertrug Hermine Hacker eine Sondervollmacht zur Verwertung des unbeweglichen Vermögens an einen Vertreter des jüdischen Auswanderungsfonds. Am 19.10.1941 wurde sie nach Litzmannstadt in Polen (heute Lodz) deportiert. Das Schicksal von Moritz Hacker ist bis heute unbekannt, ebenso das von Karoline Hoffmann, deren Name immer wieder in den Vermögensaufstellungen in den Arisierungsakten in Eisenstadt auftaucht, als Anteilsbesitzerin und mit lebenslangem Fruchtgenussrecht. Dies könnte die Mutter der Hermine gewesen sein. Es gibt aber keine Hinweise darauf. Karoline Hoffmann dürfte ebenfalls im Holocaust umgekommen sein, es gibt für sie, ebenso wie für Hermine, ein Gedenkblatt in Yad Vashem, das aber keine weiteren Informationen enthält.
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Jakob Leitner aus Schlaining kam ebenso wir Johann Hoffmann, Maier Isidor Stössel und der Kaufmann Salomon Kopfstein um 1850 nach Lockenhaus und erwarb den Platz des ehemaligen Löschteichs, der ausgetrocknet und versumpft war. Auf diesem Grund erbaute er ein Wohnhaus, das auch ein großes Geschäft mit Gemischtwaren, Eisenwaren usw. enthielt. Es war ebenerdig und er zahlte jährlich der Herrschaft 10 Gulden für Wasserzins. In seiner Werkstatt ließ Leitner Hand-Dreschmaschinen anfertigen und verkaufte diese an die Bauern der Umgebung. 1883 trat er mit seiner Familie zum katholischen Glauben über, das Geschäft erfreute sich ab dieser Zeit besonders regen Zuspruchs. Der Sohn Wilhelm Leitner war jedoch kein guter Kaufmann, er übte das Geschäft nur ungern aus und hatte wenig Geschäftssinn (lt. Schermann und Perl). Er verkaufte sein Haus 1930 an den Holzwarenfabrikanten Johann Braun. Über das weitere Schicksal von Wilhelm Leitner ist nichts bekannt, seine einzige Tochter lebte in Ödenburg (lt. Perl, der das in den 1960er Jahren schrieb).
Die Familie Braun richtete in diesem Haus 1932 ein Ton Kino ein. In den Jahren vorher gab es bereits Stummfile zu sehen, wobei die Tochter von Wilhelm Leitner, Malvine, dazu die Klavierbegleitung spielte. Zur Erinnerung an den in Lockenhaus geborenen Schauspieler Ludwig Stössel,(*1883) wurde im Jahr 2022 eine Gedenktafel an dem Haus installiert.
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Die Familie Kopfstein war unter den Familien, die sich in Lockenhaus um die Mitte des 19. Jahrhunderts ansiedelten. Sie blieb aber nur knapp 60 Jahre hier. Salomon Kopfstein kam von Lackenbach und eröffnete zunächst in der Klostergasse 8 eine Greißlerei. Im Jahr 1880 tauschte er sein Haus in der Klostergasse gegen das Haus in der Hauptstraße 12 und eröffnete dort ebenfalls ein Geschäft. Zwei Brüder von Salomon, Abraham und Isak, gingen nach Unterrabnitz, bzw. nach Pilgersdorf, wo die Familie Kopfstein in Kogl ein Geschäft eröffnete.
Salomon war verheiratet mit Leny Feigelstock. Sie hatten zwei Kinder, Sohn Mór (Moritz/Maurus) Kopfstein und Tochter Berta Kopfstein. Berta heiratete Leopold Stössel, einen Sohn des Wolf Stössel und war die Mutter des Schauspielers Ludwig Stössel. Von weiteren Kindern des Salomon Kopfstein ist nichts bekannt. Wahrscheinlich nach dem Tod seines Vaters Salomon übernahm Mòr Kopfstein (*1856) das Geschäft am Hauptplatz. Er war ein guter Geschäftsmann, u.a. war er sehr erfolgreich mit dem Handel des Berliner Tuchs (gehäkelte Dreieckstücher, die damals groß in Mode waren). Er verkaufte Bindhölzer und Weinstecken, Haarloden und er hatte einen Postkarten Verlag. Mòr und seine Frau Recha (sie ist eine Verwandte der berühmten Weinhändler Dynastie Wolf in Eisenstadt) hatten sechs Kinder. Mòr verkaufte ca. 1910 das Haus Hauptstraße 12 an den Bäckermeister Martin Alois (Marton Alajos) und ging 1910 mit der Familie nach Györ. Die Familie wurde in Ungarn vertrieben. Mehr über das Schicksal der Familie Kopfstein hier.
Nachdem Martin Alois (Marton Alayos) das Haus gekauft hatte, führte auch er ein Geschäft. In den späteren Jahren waren in dem Haus, das aufgestockt wurde, eine Versicherung, eine Bank, ein Schuhgeschäft. Heute (Stand 2023) ist das Geschäftslokal zweigeteilt, in einem Teil befindet sich ein Blumen- und Geschenkeladen, im anderen Teil die Trafik und Postfiliale. Im oberen Stock sind Wohnräume untergebracht.
7.
In dem Haus, „gleich neben der Knabenschule“, wie Schermann in der Chronik schreibt, wohnten Mitglieder und Nachkommen der Familie des Max Mordechai Zwi Stössel.
Um 1868 kaufte Max Mordechai Zwi Stössel (1844 – 1909), der älteste der drei Söhne des Maier Isidor, das Haus in der Hauptstraße 13 neben der Schule und errichtete hier ein Geschäft: Er verkaufte Schnittwaren, Leder, Mehl, Eisen. Max handelte auch mit landwirtschaftlichen Maschinen (Dreschmaschinen) und in der Chronik schreibt Schermann dazu: „Man sagte, dass Max die Hammerer und Hochstraßer alle in seiner Tasche hatte“ und „Der Schnaps trug viel ein“.
Max Mordechai Zwi lebte hier mit seiner Frau Hadas/Rosy. Sie hatten, soweit man weiß, mindestens sieben Kinder. Drei blieben in Lockenhaus, vier zogen weg. Das Geschäft übernahm nach dem Tod von Max Mordechai Zwi (1844-1909) zuerst sein ältester Sohn Shmuel Elizer (*1871) mit seiner Frau Berta (*1881, eine der drei Blum-Schwestern). Sie hatten zwei Kinder: Maier/Maitsch und Tochter Hedy/Chana/Johanna. Im Jahr 1921 starben Shmuel und seine Mutter Hadas, die, nach Max Mordechais Tod auch weiterhin im Haus gewohnt hatte. Das Geschäft übernahm sein Bruder Ignatz, der, mit seiner Familie allerdings im Haus bei der Synagoge wohnte. Das Geschäft ging in Folge der Inflation immer schlechter, ein weiterer Grund war aber auch, wie es eine Überlebende erzählte, dass jüdische Geschäfte in Lockenhaus mehr und mehr gemieden wurden ab den frühen 30er Jahren.
Berta, die Witwe von Shmuel führte mit ihrem Sohn Maitsch eine Landwirtschaft im Haus in der Hauptstraße 13. Das Haus war ebenerdig und hatte einen Hof mit Waschküche, weiters einen Garten und einen Stall. Zur Zeit der Vertreibung waren ein Pferd, eine Kuh und ein Kalb im Besitz der jüdischen Bauernfamilie, die einige landwirtschaftliche Flächen, Wiesen und Wald rund um Lockenhaus und auch in Hochstraß bewirtschafteten. Berta und ihr Sohn Maitsch, er war ledig, wurden 1938 aus Lockenhaus vertrieben. Sie kamen in Wien in eine Sammelwohnung im 2. Bezirk und wurden 1942 nach Polen deportiert, wo sie vermutlich in Modliborzyce, einem Lager in der Nähe von Lublin ermordet wurden. Auch die unverheiratete Jultscha (Tante von Maitsch, Schwester von Ignatz und Shmuel), über die nicht bekannt ist, wo sie in Lockenhaus gewohnt hat, wurde in Modliborzyce ermordet. Die Gedenkblätter in Yad Vashem für Berta und Maier Maitsch Stössel wurden von Hedy, Maitschs Schwester ausgefüllt.
Das Haus wurde 1938 beschlagnahmt und nach einigen Wirren und nicht nachvollziehbaren Besitzverhältnissen in den ersten Kriegsjahren in einer Versteigerung verkauft. Unmittelbar nach der Vertreibung hing an diesem Haus die Hakenkreuz Fahne. Das Haus war bis in die frühen 80er Jahre eine Bäckerei und ein Spar-Kaufhaus. Heute ist es in Privatbesitz.
8.
Der Rundgang endet wieder beim Shoa Mahnmal. Die Geschichte der Jüdischen Bevölkerung von Lockenhaus ist ein Teil der Lockenhauser Vergangenheit. Dieses Erbe sollte im Dorf sichtbar sein und in den Schulen erzählt werden. Zur Erinnerung und zum Gedenken.
Eine Zeitzeugin beschreibt die Tage von März/April 1938: „Am Abend des 12. März 1938 marschierten die Illegalen das erste Mal öffentlich auf. In der Nacht wurden Hakenkreuze an die Wände gezeichnet und Flugblätter gestreut. Am 13. März wurde die Annexion vollzogen. Im Dorf war ein großer Rummel. Wir Kinder mussten auch gleich mitmarschieren, Fackelzüge wurden veranstaltet, Versammlungen und Reden gehalten. Eine Bürgermeisterwahl wurde durchgeführt, die Juden aus dem Ort vertrieben und ihre Besitzungen beschlagnahmt."
26 Shoa Opfer aus Lockenhaus sind namentlich bekannt.
(Stand 2023)
Foto-Rundgang - Die ehemals jüdischen Häuser in Lockenhaus
Der Rundgang wurde konzipiert von Ruth Patzelt und Mag. Denise Steiger
Ruth Patzelt, gebürtige Lockenhauserin, Musikerin und Pädagogin. Seit 2018 mit der Erinnerungsarbeit an die jüdischen Bewohner*innen von Lockenhaus verbunden.
„Ich möchte, dass die Namen der jüdischen Nachbarn nicht in Vergessenheit geraten. Ich habe erst im Erwachsenenalter erfahren, dass auch in Lockenhaus jüdische Einwohner*innen lebten und mein Heimatort eine lebendige jüdische Kultur hatte, die im Jahr 1938 verschwunden ist und vernichtet wurde. Ich hoffe, dass mit dem „Darüber Reden“ - vor allem in den Schulen - die jüdische Geschichte und die jüdische Kultur von Lockenhaus, der Holocaust nicht vergessen wird und dass junge Menschen erkennen und daran arbeiten werden, dass sich diese Geschichte nie mehr wiederholen kann und darf“.
Denise Steiger, gebürtige Lockenhauserin, Historikerin, Autorin der Lockenhaus Chronik
„Ich komme aus Lockenhaus und habe Geschichte und Politikwissenschaften studiert. 1992 habe ich die Chronik der Marktgemeinde Lockenhaus anlässlich des Jubiläums „500 Jahre Marktgemeinde Lockenhaus“ verfasst und bin damals zum ersten Mal mit dem Thema „Juden in Lockenhaus“ in Berührung gekommen. Ich habe ihnen auch ein eigenes Kapitel in der Chronik gewidmet. Wirklich intensiv beschäftigt mit diesem Thema habe ich mich erst seit 2018, durch die Mitarbeit an dem Erinnerungsprojekt 1938.2018 Shalom.Nachbar. Seither geht die Arbeit an diesem Projekt eigentlich weiter, denn die Forschung ist ein laufender Prozess, der immer wieder neue Erkenntnisse zutage bringt.“
Bildquellen: c Stössel, c Patzelt, Gemeindearchiv Lockenhaus
Quellen:
1. Die Chronik "Die Geschichte von Lockenhaus" von Pater Aegidius Schermann (Im Buchhandel vergriffen, im Lesesaal im burgenländischen Landesarchiv oder in Privatbesitz). 2. Die "Häuserchronik", verfasst vom langjährigen Amtmann von Lockenhaus, Othmar Perl, nach seiner Pensionierung in den 1960er Jahren (Einsicht am Gemeindeamt Lockenhaus möglich). 3. Die Arisierungsakten im burgenländischen Landesarchiv (Aushebung für historische Recherche möglich). 4. "Familienwurzeln", eine in Privatbesitz befindlichen Familienchronik des Robert Meir Blum, einem entfernten Verwandten der Familie Stössel (Teilabschrift zu lesen auf dieser HP). Diese vier oben genannten Quellen haben uns wertvolle Hinweise zur Geschichte des jüdischen Lebens in Lockenhaus, zu den einzelnen Familiengeschichten und zur jüdischen Kultur und deren Vertreibung und Vernichtung in Lockenhaus gegeben. Weitere Quellen: Landesarchiv Eisenstadt, DOEW, Burgenländische Forschungsgesellschaft, Gert Polster auf ojm.at, Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart, Maria Gager: Hausarbeit, Internetrecherchen, Gespräche mit Nachkommen, ...