Moritz Stössel
Das junge Leben des Moritz Stössel aus Lockenhaus verliert seinen Überlebenskampf nur 24-jährig nach einem langen Leidensweg. Nach der Vertreibung aus dem Burgenland konnte die aus Lockenhaus stammenden jüdische Familie vorerst zusammen bleiben. In Theresienstadt wurde Moritz von seinen vier Geschwistern und seinen Eltern getrennt. Die Spurensuche von shalom.nachbar in Lockenhaus im Jahr 2022 brachte neue Erkenntnisse zum Schicksal von Moritz Stössel.
Moritz Stössel, geboren am 2. Jänner 1921 in Lockenhaus, gestorben am 5. März 1945 in Kaufering, einem Außenlager des Konzentrationslagers Dachau.
Als 14-Jähriger wurde er mit seiner Familie aus Oberwart vertrieben, wo die Familie aus Lockenhaus seit 1934 lebte. Nach Oberwart zogen um diese Zeit viele jüdische Familien aus der Umgebung, es gab eine Synagoge, jüdische Geschäfte und Handwerker, es war eine lebendige jüdische Gemeinschaft. Nach der Vertreibung lebten die Stössels in Wien, hier sind zwei Adressen der Familie bekannt: Im 2. Bezirk, Herminengasse 10/3a, möglicherweise führte Vater Max Mordechai Zwi hier einen "Gassenladen" (so steht es in einem Akt in den Arisierungsakten im Burgenländischen Landesarchiv) und die Franz Hochedlingergasse 3, ebenfalls eine Adresse im 2. Bezirk.
Die Familie versuchte Ausreisegenehmigungen zu bekommen und suchte Möglichkeiten zur Flucht. Das Schicksal der siebenköpfigen Familie Stössel (Max und Regina und die Kinder Wilhelm, Moritz, Sofie, Gertrude und Johanna) macht sprachlos. Sie wollten alle zusammenbleiben und die Eltern schickten deshalb ihre zwei jüngsten Kinder. Gerty und Johanna, nicht mit einem möglichen, und vielleicht lebensrettenden Kindertransport nach England. 1942 war eine Passage nach Triest für die gesamte Familie bei einer Spedition bereits bezahlt, und in weiterer Folge waren alle Familienmitglieder für einen Maccabi Transport nach Bolivien vorgesehen - der Maccabi Weltsportverband versuchte hier mittels eines Hilfsfonds zu helfen - doch es war zu spät. Am 1. Oktober 1942 wurde die Familie gemeinsam nach Theresienstadt deportiert.
In Theresienstadt blieb die Familie so gut es ging zusammen. So schreibt es Moritz´ Schwester Gerty in Ihrem Brief im Jahr 1943. Am 29. September 1944 wird Moritz zehn Tage vor seiner Familie nach Auschwitz gebracht und nur einen Tag nach der Ankunft seiner Familie, die - es gibt keine Lebensspuren der Familie im Lager - vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft vergast wurden, weiter nach Dachau deportiert. Moritz wurde vermutlich bereits in Theresienstadt für den Weitertransport nach Kaufering (ein Außenlager von Dachau) ausgewählt, da für den kräftezehrenden Bunkerbau in Kaufering viele arbeitsfähige Männer gebraucht wurden. Moritz Stössel war Hilfsarbeiter (Angabe in der Transportliste Wien-Theresienstadt) und vermutlich war der 23-Jähriger im Jahr 1944 noch kräftig und gesund genug als Arbeiter eingesetzt zu werden. In Dachau wurde er unmittelbar nach der Ankunft in den Außenlagerkomplex Kaufering überstellt. Dort waren acht primitive Lager mit Erdhütten als Schlafstätte für jüdische KZ-Häftlinge errichtet worden, die am Bau der Großbunker arbeiteten. Die Häftlinge mussten unter mörderischen Lebensbedingungen und entsetzlichen hygienischen Bedingungen Schwerstarbeit leisten.
Moritz starb am 5. März 1945, kurz vor Kriegsende in einem der Lager in Kaufering, in der Nähe von Dachau. Die Flecktyphus-Epidemie grassierte seit November 1944, Tausende Häftlinge fielen ihr zum Opfer. Das Außenlager IV wurde in den letzten Wochen vor der Befreiung zum Krankenlager erklärt, die Kranken wurden aber nicht mehr medizinisch versorgt, sondern blieben im Wesentlichen sich selbst überlassen. Hunderte starben qualvoll.
Am 29. April 1945 wurde Dachau von der US-Armee befreit. Moritz starb 33 Tage vorher. Er wurde nur 24 Jahre alt.
Deportationsdaten:
Deportation von Wien nach Theresienstadt: 01.10.1942.
Überstellung von Theresienstadt nach Auschwitz: 29.09.1944.
2. Überstellung von Auschwitz nach Dachau/Kaufering: 10.10.1944
Quellen: Datenbank der Shoa Opfer: doew.at; Katalog der Gedenkstätte Dachau; Mindler-Steiner, Das jüdische Oberwart;