Jüdische Handelswege im Burgenland

Bei der Veranstaltung "Mazze Mehl und Mazel Tov" die in enger Kooperation mit der BHAK und BHAS Oberpullendorf organisiert wurde, war ein Thema "Jüdische Handelwege im Burgenland". Bis zum Jahr 1938 gab es viele Gemischtwarenhandlungen die in jüdischen Besitz waren. Zum Beispiel die Geschäfte der jüdischen Familien Stössel und Hacker in Lockenhaus. Aber auch die erste Parketttischlerei in Lockenhaus wurde von einer jüdischen Familie gegründet. Und natürlich gab es in den größeren jüdischen Gemeinden, Lackenbach, Kobersdorf und Deutschkreutz viel jüdische Kaufleute, Händler, Handwerker und Ärzte.

Die Schüler der BHAK und BHAS Oberpullendorf produzierten Pod casts die hier, ab ca. Mitte April zu hören sein werden (in Arbeit!)

In: atlas-burgenland.at steht folgendes:

"Das größte Problem in den Esterhazyschen Judengemeinden im 19. Jahrhundert war der enorme Bevölkerungszuwachs und die daraus resultierende Wohnungsnot. Mit Ausnahme von Kittsee waren alle jüdischen Siedlungen geschlossen und von den christlichen Orten abgetrennt. Am Sabbat und zu hohen Feiertagen schlossen die Gemeinden den Zugang mit Ketten, Schranken, Seilen usw. Die Juden versuchten, christliche Häuser, meist Kleinhäusl, zu erwerben. In Einzelfällen gelang das auch. Diese Häuser wurden aber weiterhin wie Christenhäuser behandelt, unterlagen etwa nun dem Robotzwang. Nikolaus II. war bestrebt, die Quartiernahme von Juden in Christenhäusern zu unterbinden. 1798 wurde den Juden der Ankauf von Häusern außerhalb der Judenviertel verboten. Versuche, das Verbot zu umgehen, führten zu Konflikten, etwa in Mattersburg. Die Mattersburger Judengemeinde versuchte, durch einflussreiche Fürsprecher, etwa durch Fanny von Arnstein, ihre Situation zu verbessern. Zudem brach 1814/15 in der Mattersdorfer Judengemeinde ein Scharlachfieber aus, an dem 59 Personen starben. 1815/16 wurden östlich an das Judenviertel anschließend sieben Kleinhäuser errichtet, 1819 konnte die Judengemeinde ein Grundstück für 12 Bauplätze erwerben (Neuheisln). Im Judenviertel selbst wurden stockwerkartige Zubauten vorgenommen. Erst ab 1830 wurde die Wohnungsnot gemildert, da die Abwanderung nach Wien, Pest, Ödenburg einsetzte.

Auch in Eisenstadt, im Judenviertel gab es Wohnungsnot. Ein Einmieten von Juden am Oberberg blieb verboten, die Absiedelung in der Meierhofgasse sollte rückgängig gemacht werden, es wurden aber immer wieder Ausnahmegenehmigungen erteilt. 1840 gab es schon zehn jüdische Hausbesitzer mit 24 Wohnparteien in der Meierhofgasse. Fürst Nikolaus II. verbot den Juden, christliche Dienstboten - besonders Ammen waren beliebt - anzustellen. Das Verbot wurde aber vom Statthaltereirat aufgehoben. Die Bevölkerungszahl des Eisenstädter Judenviertels betrug 1808 530 Personen, stieg 1821 auf 638 Personen und 1827 auf 920 Personen.1836 war erstmals ein leichter Rückgang zu verzeichnen, die Abwanderung begann.

In Kobersdorf erhielten 11 Familien Bauplätze. Prekärer war die Situation in Frauenkirchen, wo in 26 Christenhäusern 43 jüdische Wohnparteien untergebracht waren. Christliche Interessenten fühlten sich verdrängt. Die Juden sollten in das ohnedies überbevölkerte Judenviertel zurück. Den starken Bevölkerungszuwachs versuchte die Grundherrschaft durch Einführung von Heiratsbewilligungen zu steuern. Heiratswillige mussten ein entsprechendes Einkommen und Wohnraum nachweisen. Diese neuen Bestimmungen wurden von den Judengemeinden mit großer Erbitterung bekämpft. Ab 1840 wurden die Bewilligungen kaum mehr eingeholt.

Fürst Paul III. Esterházy lehnte die Aufhebung der Heiratsbeschränkungen ab. Die Neuausstellung der Schutzbriefe kam vor 1848 nicht mehr zustande. Das Gesetz von 1840 garantierte den Juden das freie Ansiedlungs- bzw. Wohnrecht in ganz Ungarn. Das Wohnrecht in einem christlichen Bauernhaus bzw. Kleinhäusl konnte nun nicht mehr verwehrt werden. Die Robotpflicht, die dabei entstand, konnten die Juden in Geld ablösen. Ein Problem war, dass mit dem Auszug aus der Schutzgemeinde auch der finanzielle Beitrag wegfiel. Die Gemeinden sahen daher den Abzug nicht gerne. 1848/49 stellten die Juden sämtliche Zahlungen ein. Es zeigte sich aber bald, dass dies voreilig war, denn die meisten Judenhäuser standen auf Kurialgrund, die Abgaben an Hauszins, und die für die Synagoge, Mikwe, Friedhof usw. blieben aufrecht, da es sich dabei ja nicht um Elemente des Urbarialsystems sondern um privatrechtliche Verträge handelte. In den Jahren nach 1853 kam es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Ablöse.

Die Juden hatten für die wirtschaftliche Entwicklung der Esterhazy Herrschaften große Bedeutung.1783 errichtete die Herrschaft Pöttsching in Neudörfl ein Handlungshaus, das an die jüdischen Händler verpachtet wurde und für den Handel mit Wr. Neustadt wichtig war. Auch in Wimpassing gab es ein Haus für den grenzüberschreitenden Handel mit Niederösterreich. Beide Häuser waren auch Herbergen und Wirtshäuser. Ab den 1760er Jahren entstanden in größeren Dörfern erste Gemischtwarenhandlungen, 1794 etwa in Großwarasdorf oder in Hornstein, wo 1816 bis 1818 Salomon Hirschler eine Greißlerei pachtete. Besonders erfolgreich war der in Müllendorf als Großhändler tätige Jakob Stroh, der auch in den Weinhandel einstieg. Die Schafzucht und der Wollhandel spielten im Majorat der Esterhazy eine besonders wichtige Rolle (mit über 100 Schafhöfen und 230 000 Tieren 1830 - 1840). In den Handel mit Produkten aus der Schafhaltung schalteten sich auch Juden ein. Einige stiegen zu Großhändlern auf. Sehr wichtig war für die Juden der Betrieb von Bierbrauereien, etwa in Mattersdorf, und Branntweinschenken. Vereinzelt betrieben Juden Pottasche Siedereien (in Deutschkreutz, Lackenbach, Wulkaprodersdorf).

Wichtig war auch der Handel mit Koppern. In Ödenburg unterhielten die Esterhazy dafür sogar ein Magazin. Beträchtliche Einnahmen brachten den Herrschaften auch die Verpachtung der Mauten, obwohl ab 1723 deren Verpachtung an Juden verboten war. Die meisten Juden waren Kleinhändler, Greißler und Hausierer. Einzelne Familien betrieben auch größere Unternehmen, etwa die Esterhazy-Leinenfabrik in Neufeld, die von Samuel Marx Schlesinger gepachtet wurde. Neben den Schlesinger waren auch die Eisenstädter Familien Spitzer, Pollak und Engländer als Unternehmer tätig. Sie spielten ab etwa 1810 bis Mitte der 1830er Jahre im Tuch- und Stoffhandel eine wichtige Rolle. Für den Fürstenhof waren sie Hoflieferanten. Samuel Schlesinger und Markus Engländer kauften 1813 das Wertheimerhaus. 1817 gründete David Spitzer eine Lederfabrik, die bis zum Ersten Weltkrieg zu einem großen Unternehmen aufstieg. 1823 gründete Markus Engländer eine Seidenbandfabrik. In Lackenbach errichteten die Hirschler 1802 eine Spezerei- und Schnittwarenhandlung. Über die Kreditgeschäfte der Schutzjuden ist wenig bekannt. Die Zinsen für die - meist riskanten - Kredite bei den Juden waren jedenfalls sehr hoch (26 bis 86,66 %). Tobler gibt in seinem Buch von 2021 dafür einige Beispiele (S.170 ff.). Gegen den Handel der jüdischen Hausierer (Binkl-Juden) gab es immer wieder Beschwerden, seine Einschränkung wurde gefordert. Auch die Einrichtung neuer "Gewölbe" (Geschäfte) wurde bekämpft, ebenso die stark anwachsende Zahl von jüdischen Ständen auf den Eisenstädter Wochenmärkten. Die Juden wurden schließlich von den Wochenmärkten verdrängt und durften nur mehr auf den Jahrmärkten verkaufen.

Lebensweise und Wirtschaft

Bis in das 19. Jahrhundert waren die Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten der Juden durch landesherrliche, vor allem aber grundherrschaftliche Vorschriften strikt reglementiert. Verdienstmöglichkeiten ergaben sich in den Nischen der feudalen Gesellschaft, vor allem aber im Handel und Geldverleih. Der Handel reichte vom Juwelen- und Edelmetallhandel über den Textil- und Lederhandel zum Handel mit Häuten und Fellen und zum Trödelhandel, der als Hausierhandel betrieben wurde.

Für die Erlaubnis zum Handel musste der Grundherrschaft oder der Stadtobrigkeit Abgaben bezahlt werden. Die Juden von Lackenbach, Mattersburg und Kobersdorf zahlten im 17. Jahrhundert den Batthyánys für die Handelserlaubnis auf ihren Gütern jährlich 40 Gulden. Als dann in Rechnitz eine eigene Judengemeinde entstand, musste diese der Herrschaft 10 Gulden für das alleinige Handelsmonopol auf den Batthyány - Gütern bezahlen. Den Esterházy’schen und anderen auswärtigen Juden wurde die Handelserlaubnis entzogen. Auch die Freistadt Ödenburg, die ihre eigenen Juden 1526 vertrieben hatte, kassierte später von den Esterházy’schen und anderen Schutzjudengemeinden jährliche Taxen für die Erlaubnis zum Besuch der städtischen Märkte.

Der größte Teil der Juden gehörte zur Gruppe der armen, kleinen Handwerker. Zumeist waren nur bestimmte Handwerke zugelassen, etwa Schneider, Schuster, Kürschner, Goldschmiede ... Ausnahmen gab es in Deutschkreutz, Lackenbach und Neufeld. Die Juden wurden von den christlichen Handwerkern als "Fretter" oder "Störer" bekämpft, weil sie sich nicht immer an die limitierten Preise und Löhne hielten und ihre Verkaufsgebiete unerlaubt ausdehnten. Christliche Handwerker nahmen zwar vereinzelt jüdische Lehrlinge auf. Die Meisterwürde konnten Juden aber nicht erlangen. Der Erwerb von Immobilien war den Juden in der Neuzeit meist untersagt. Im Mittelalter kam gelegentlich der Pfandbesitz von Weingärten und Grundstücken vor. So konzentrierten sie sich auf den Geldverleih. Dies war leichter, da den Christen der Geldverleih gegen Zinsen ja prinzipiell untersagt war bzw. nur sehr niedrige Zinsen verlangt werden durften. Die Juden verliehen zu sehr hohen Zinsen Kredite, meist auf kurze Zeiträume. Üblich waren im 17. Jahrhundert 26 % pro Woche. Alle diese Kreditgeschäfte waren aber mit einem hohen Risiko verbunden - wenn der Kreditnehmer zahlungsunfähig war oder die Obrigkeit die Schulden einfach für verfallen erklärte. Kredite wurden aber je nach Risiko und Vermögen des Kreditnehmers auch zu günstigeren Bedingungen gewährt.

Große Einnahmen hatten Juden aus der Pacht herrschaftlicher Regalrechte, vor allem von Mauten. Im 17. und 18. Jahrhundert waren die Mauten ausschließlich im Pachtbesitz von Juden. Sie mussten dafür hohe Pachtgebühren bezahlen und versuchten dementsprechend rigoros, die Mauten einzutreiben. Das trug zur Unbeliebtheit der Juden bei. Gepachtet wurden oft auch die herrschaftlichen Fleischbänke. Auch der Kauf und Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte und der entsprechenden Naturalabgaben an die Herrschaft war oft in den Händen der Juden. Die Batthyany verboten zeitweise den Untertanen den Handel mit ihren eigenen Erzeugnissen. Die Herrschaftsverwaltungen übertrugen den Juden per Kontrakt die Vermarktung bestimmter Produkte wie etwa Schafwolle, Honig, Häute usw. Paul Esterhazy etwa verpachtete um 1660 den gesamten Häute Handel einem Juden. Ihm mussten alle Häute verkauft werden. In einigen Handwerken, wie etwa in der Glaserei, wurden nach der Vertreibung der Wiedertäufer ebenfalls Juden aktiv, in Ödenburg, aber auch bei den Schlossbauten der Esterhazy. Der Mattersburger Glaser Gerstl oder die Lackenbacher Juden Lewei Salomon, Samuel Hirsch und Samuel Marx waren als Glaser tätig.

Auch in der Branntweinbrennerei waren nahezu ausschließlich Juden tätig. Neben Trebernschnaps stellten sie auch Kräuterliköre und Rosolio her. Jüdische Schnapsbrenner gab es in Kobersdorf, Neufeld, Kittsee, Gattendorf, Eisenstadt, Güssing, Drassburg, Weinberg, Lutzmannsburg, Strebersdorf, Lockenhaus und an vielen anderen Orten. Ebenso in jüdischer Hand waren die Bierbrauereien und Bierschankhäuser der Herrschaften, etwa in Kittsee, Rechnitz, Hannersdorf, Frauenkirchen. Die bedeutendste Brauerei stand in Mattersburg. Sie wurde von Moses Latarus und Salamon Benedikt um 600 Gulden gekauft. Außerdem hatten sie ein jährliches Schutzgeld zu zahlen. Der christlichen Gemeinde zahlten sie jährlich 20 Gulden, hatten dafür aber das alleinige Recht, Bier auszuschenken. Das Brauhaus beim herrschaftlichen Meierhof blieb bis 1808 in jüdischem Besitz und kam dann wieder in Esterhazy - Besitz. Von Mattersburg aus wurden auch andere Dörfer und Bierwirtshäuser beliefert. etwa Wulkaprodersdorf. Sie pachteten den herrschaftlichen Bierschank in Eisenstadt- Schlossgrund und beim Kalvarienberg und sogar in der Freistadt Eisenstadt. 1715 errichtete Lazarus bei der Neudörfler Leithamühle eine Brauerei. 1695 befand sich sogar das Brauhaus der Freistadt Ödenburg im Pachtbesitz des Brauers Moyses Lazarus. Seine Familie gehörte zu den reichsten der Mattersburger Judenstadt. Freilich gab es immer wieder auch Konflikte, da der Bierausschank in Konkurrenz mit den herrschaftlichen Wirtshäusern stand.

Neben anderen "Unternehmern" verschiedenster Herkunft waren es immer wieder auch Juden, die der Herrschaft die Errichtung von Gewerbebetrieben vorschlugen. So richtete etwa Graf Windischgrätz 1728 auf seinem Edelhof in Strebersdorf auf Vorschlag des Juden Gerson Susman, der in Mattersburg und Wien ansässig war, eine Lederfabrik ein. Diese hatte eine beträchtliche Größe. Die Esterhazysche Leinenfabrik in Neufeld befand sich zeitweilig im Pachtbesitz des Eisenstädter Juden Marx Schlesinger. In Eisenstadt betrieb im frühen 19. Jahrhundert der Jude Marcus Engländer eine Lederfabrik. Die Esterhazysche Papiermühle in Hammer bei Lockenhaus und der Verschleiß der Glashütte der Batthyany in Glashütten bei Schlaining befanden sich ebenfalls in jüdischen Händen.

F. Hodik hat in Mattersburg für das Jahr 1744 folgende Daten ermittelt: 45 % der Gemeindemitglieder waren im Handel tätig - Pferde, Felle Bänder, Mehl, Kleinvieh und Tuchhändler und Hausierhandel mit verschiedenen Waren. 23 % waren Handwerker - Schneider, Fleischhauer, Buchbinder, Schnürmacher, Schuster, Schächter, Branntweinbrenner und Bierbrauer. 21 % waren in Dienstleistungsberufen tätig - Dienstboten, Briefboten, Bierschenker, Spielmänner. 13 % waren in Bildungsberufen: Schulmeister, Schreiber. Diese Zahlen kann man wohl auch auf andere Judengemeinden in dieser Zeit übertragen.

Interessant ist der hohe Anteil an Musikern. Man vermutet, dass diese „Klezmer", jüdische Musikergruppen, auch an den Adelshöfen und bei christlichen Veranstaltungen gespielt haben.

Quelle: www.atlas-burgenland.at