Hermine Hacker
Im Zuge der Recherchen zur Gedenkwoche 1838.2018 Shalom.Nachbar wurden damals, 2018, keine Daten über Hermine Hacker aus Lockenhaus gefunden. Es gab nur das Gedenkblatt in Yad Vashem mit ihrem Namen und dem Hinweis auf ihren Geburtsort Lockenhaus.
Im August 2021 war eine Recherche im Landesarchiv Eisenstadt erfolgreich (Deportation nach Lodz)
Im August 2022 war eine weitere Internetrecherche erfolgreich (Datum ihres Todes)
Im Jahr 2018 haben wir im Zuge der Vorbereitungen für die Gedenkwoche 1938.2018 Shalom Nachbar nach Daten und gesicherten Beweisen gesucht, die uns über das Schicksal der Hermine Hacker Auskunft geben könnten. Einmal glaubten wir fast sie gefunden zu haben als Barbara Horvath und Ruth Patzelt in Wien im 2. Bezirk einen Rundgang machten und die Adressen der Wohnungen suchten, in denen die Lockenhauser Juden und Jüdinnen nach ihrer Vertreibung aus Lockenhaus lebten. Wir entdeckten zwei Steine der Erinnerung, die die Namen Hermine Hacker und Jakob Hacker trugen, und zwar vor dem Haus Herminengasse 10, wo auch eine andere Familie aus Lockenhaus gewohnt hatte. Doch es waren zwei Holocaustopfer aus einem anderen Dorf im Burgenland, nicht die von uns gesuchte Hermine. Wir hatten damals nur ein Gedenkblatt von Yad Vashem mit ihrem Namen.
Im August 2021 war eine Recherche im Burgenländischen Landesarchiv, damals noch in Eisenstadt, erfolgreich. In den Arisierungsakten taucht der Name Hermine Hacker aus Lockenhaus in einigen Schriftstücken auf. Es sind behördliche Schreiben und Mitteilungen, Briefe und Ansuchen aus den Jahren 1938 - 1941. Es gibt sogar ein Schriftstück mit der handgeschriebenen Unterschrift von Hermine Hacker.
Laut Opferdatenbank des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands wurde eine am 01.07.1879 geborene Hermine Hacker, mit der Adresse: Wien 2, Czerninplatz 5/6 am 19.10.1941 nach Litzmannstadt deportiert. Erst nach Durchsicht der Arisierungsakten Lockenhaus betreffend war klar, dass es sich dabei um Hermine Hacker aus Lockenhaus handelt, da hier das Geburtsdatum, das Deportationsdatum und die angegebene Adresse mit den Daten des DOEW übereinstimmte.
Hermine Hacker, geboren am 1. Juli 1879, führte bis zum Jahr 1938 eine Gemischtwarenhandlung in Lockenhaus und war am 20. April 1938 dabei, als alle damals noch in Lockenhaus lebenden Juden und Jüdinnen nach Wien deportiert wurden. In Wien lebte sie, im Jahr 1940 noch mit Ihrem Mann Moritz Hacker, am Czerninplatz 5/6 im 2. Bezirk. Hermine wurde am 19.10.1941 (im selben Transport wie der in Lockenhaus geborene Emanuel Stössel) nach Lodz (Litzmannstadt) deportiert. In einem Schriftstück in den Arisierungsakten stehen die zynischen Worten der Beamten der Gestapo: „Hermine Hacker ist nach Litzmannstadt abgereist“. Im Ghetto Lodz lebte sie in der Kelm Strasse 83, Wohnung 9.
Seit August 2022 wissen wir: Am 9. Mai 1942 wurde sie nach Chelmno deportiert und dort am selber Tag ermordet. (Quelle: Lodz Ghetto Liste)
Über das Schicksal von Moritz Hacker, dem Ehemann von Hermine und über Karoline Hoffmann, für die es so wie für Hermine in Yad Vashem ein Gedenkblatt gibt, gibt es noch keine gesicherten Daten. Unklar ist auch noch in welchem Verwandtschaftsverhältnis Hermine zu Karoline Hoffmann, geborene Joachim, stand. War sie die Mutter von Hermine?
Das Haus
Familie Hoffmann – später Hacker – Hauptstraße 33
„In diesem Haus lebte die jüdische Kaufmannsfamilie Hoffmann, später Hacker. Über diese Familie wissen wir sehr wenig. Der Kaufmann Johann Hoffmann stammte aus Lackenbach und kam um 1850 (lt. Schermann, es könnte aber auch später gewesen sein) nach Lockenhaus. Wo die Familie zunächst wohnte, wissen wir nicht. Um 1869 kaufte Hoffmann dieses Anwesen, Hauptstraße 33. Es bestand eigentlich aus 2 Häusern, eines an der Straße, eines im Hof und gehörte 2 Brüdern, Georg und Josef Schmall. Ob Hoffmann beide Häuser gleichzeitig gekauft hat oder zuerst das vordere und später erst das Haus im Hof ist nicht bekannt.
Die Familie Hoffmann betrieb ein Gemischtwarengeschäft. Die Tochter Hermine, geboren am 1.7.1879 in Lockenhaus heiratete Moritz Hacker, der zwar 1866 in Lackenbach geboren ist, dann aber nach Wien übersiedelte (Perl spricht vom Juden Hacker aus Wien) und übernahm das Geschäft. Sie wohnten in dem Haus im Hof. Die Familie Hoffmann-Hacker hatte anscheinend keine verwandtschaftlichen Beziehungen zu den beiden anderen großen jüdischen Familien, Kopfstein und Stössel, die ebenfalls aus Lackenbach stammten und sehr wohl auch familiär verbunden waren, so war die Mutter von Ludwig Stössel eine geborene Kopfstein. Mitte der 1930er Jahre ging das Geschäft nicht mehr gut, der Garten war seit 1936 an Karl Rahberger verpachtet, der hier Gemüse anbaute. Die Familie blieb aber bis April 1938 in Lockenhaus und wurde mit den anderen jüdischen Einwohnern gezwungen, Lockenhaus zu verlassen, das Geschäft wurde von der örtlichen NSDAP „verwaltet“.
In der Hoffnung, mehr über diese Familie zu erfahren, hat sich Fr. Patzelt im Landesarchiv die Arisierungsakten ausheben lassen. In den Vermögensaufstellungen taucht immer wieder der Name Karoline Hoffmann auf, als Anteilsbesitzerin und mit lebenslangem Fruchtgenussrecht. Dies könnte die Mutter der Hermine gewesen sein. Es gibt aber keine Hinweise darauf. Im Juli 1938 waren Hermine und Moritz Hacker in Wien mit der Adresse 2. Bezirk, Czerninplatz 5/6 und werden als hochbetagt beschrieben. Sie versuchten verzweifelt vor der Vermögensverkehrsstelle, eine Beschlagnahme des Besitzes zu verhindern und wollten auch keine Verzichtserklärung unterschreiben. Im Mai 1939 wurde jedoch die Zwangsversteigerung eingeleitet. Am 17.10.1941 übertrug Hermine Hacker eine Sondervollmacht zur Verwertung des unbeweglichen Vermögens an einen Vertreter des jüdischen Auswanderungsfonds, am 19.10.1941 wurde sie nach Litzmannstadt in Polen (heute Lodz) deportiert. Das Ghetto Litzmannstadt diente als Zwischenstation vor der Deportation in die Vernichtungslager Auschwitz, Majdanek und Treblinka. Sie hat den Holocaust nicht überlebt. Was mit Moritz Hacker geschah, wissen wir nicht. Karoline Hoffmann dürfte ebenfalls im Holocaust umgekommen sein, es gibt ein Gedenkblatt für sie in Yad Vashem, das aber keine weiteren Informationen enthält. Für Hermine Hacker gibt es ebenfalls ein Gedenkblatt“. (D.S.)