Gedenken 1938.2018
1938.2018 Shalom.Nachbar
Vom 4.bis 11. November 2018 fand in Lockenhaus die Gedenkwoche 1938.2018 Shalom.Nachbar statt. 80 Jahre nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland wurde in Lockenhaus zum Gedenken und zur Erinnerung an die jüdische Bevölkerung von Lockenhaus, die im Jahr 1938 ihren Heimatort verlassen musste, aufgerufen.
Zeichen setzen. Sichtbar machen. Niemals vergessen.
Ein Projektteam aus Lockenhaus (Ruth Patzelt, DI Barbara Hießmanseder-Horvath, Mag. Gertraud Horvath und Mag. Denise Steiger) setzte im Jahr 2018 dieses Zeichen. Lockenhaus hat eine jüdische Geschichte und es gilt, diese sichtbar zu machen. Unsere jüdischen Nachbarn wurden 1938 aus Lockenhaus vertrieben. In der Shoa wurde der Großteil von ihnen ermordet und in Lockenhaus wurden sie vergessen. Viele Menschen in Lockenhaus, vor allem junge Menschen, wissen gar nichts davon. Durch die Veranstaltungen und Gedenkfeiern im Rahmen der Gedenkwoche wurde diese jüdische Geschichte wieder sichtbar und soll auch weiterhin sichtbar bleiben und NIEMALS VERGESSEN werden.
„Heute leben nur mehr jene, die diese Zeit als Kinder und Jugendliche erlebt haben. Die Jahrzehnte des Schweigens machen es ihnen schwierig, über diesen Teil ihrer Erinnerungen zu sprechen. Doch darüber zu sprechen - und zu erinnern - bleibt notwendig, damit "Niemals vergessen" nicht zur Floskel wird." (Bernhard Blank, derStandard.at, 29.4.2015)
Gedenkprojekte
- Das Mahnmal zur Erinnerung an die Lockenhauser Opfer der Shoa (Gestaltung DI Barbara Hießmanseder-Horvath im Jahr 2008) wurde restauriert und um zwei Namen von Opfern erweitert. Mahnende Worte sprachen Mag. Peter Menasse, Dr. Gerhard Baumgartner und Paul Gulda bei der Feier zur Eröffnung der Gedenkwoche. Sie sprachen nicht nur über den Holocaust, sondern fanden auch klare Worte über beängstigende Entwicklungen in unserer Gesellschaft. Bürgermeister Mag. (FH) Christian Vlasich sprach über die Bedeutung einer guten Nachbarschaft. Die Architektin und Künstlerin Barbara Hießmanseder-Horvath betonte die Bedeutung des Ortes, an dem das Mahnmal steht - nahe des ehemaligen jüdischen Bethauses und neben dem Kriegerdenkmal für die Opfer der beiden Weltkriege. „Trauernde jeder Konfession können hier ihrer Opfer gedenken“. Berührender Höhepunkt der Veranstaltung war das Gebet der jüdischen Gäste beim Mahnmal. Zwei Nachkommen der aus Lockenhaus vertriebenen jüdischen Familie Stössel - Ya´acov und Yonit, Enkel von Nathan Ignatz und Gittel/Käthe Stössel - waren aus Israel angereist, um gemeinsam mit der Lockenhauser Bevölkerung zu gedenken.
- Die temporäre Kunstinstallation Mezuzah von Ruth Patzelt und Barbara Hießmanseder-Horvath am Hauptplatz von Lockenhaus war ein weithin und für alle sichtbares Mahnmal. Diese Kunstaktion im November 2018 wollte das Verschwinden der jüdischen Nachbarn, den Verlust ihrer Kultur und ihrer Häuser in Lockenhaus sichtbar machen.
"80 Jahre nach den Reichspogromnächten vom 9. und 10. November 1938 soll das Kunstwerk der beiden Künstlerinnen Ruth Patzelt und Barbara Horvath einladen, jener Menschen zu gedenken, die damals, quasi über Nacht, ihre Heimat und ihre Häuser verlassen mussten. Viele von ihnen verloren in den dramatischen Stunden, Tagen und Wochen danach auch ihr Leben. Das Thema der Installation sind die offenen Türrahmen als Symbol für die fehlenden Häuser und Wohnungen, die fehlenden und verschwundenen „Zugänge“ zu den jüdischen Nachbarn. Auch die Mezuzot* fehlen oder sind mit Gewalt herausgerissen. Steine am Boden, in Korrespondenz zum Mahnmal für die Lockenhauser Opfer der Shoa, benennen in hebräischer Schrift das Gedenkjahr. (aus Mensch und Nachbar)
- Die Mezuzah* war auch Ort des Gedenkens an die Reichspogromnacht im Rahmen der Gedenkwoche. Die Feier "Stilles Gedenken" am 9. November wurde vom Chor Musica Sacra Lockenhaus musikalisch begleitet. Gloria Popp aus Lockenhaus las den Brief von Gerty, das berührende Dokument und letzte Lebenszeichen eines knapp 16-jährigen Mädchens aus Lockenhaus, das in Auschwitz ermordet wurde. Bei der Feier sprach Ruth Patzelt ihren Wunsch aus, dieses Mahnmal solle auch in der heutigen Zeit, auf Menschen auf der Flucht weltweit aufmerksam machen.
- Mit Workshops in den Schulen, beim Mahnmal und bei der Kunstinstallation Mezuzah erreichte das Projekt auch die Aufmerksamkeit der SchülerInnen und LehrerInnen, die sich im Werk- und Zeichenunterricht am Projekt kreativ beteiligten und im Deutsch-, Geschichte- und Religionsunterricht über den Holocaust und die jüdische Kultur sprachen.
- Dem jüdischen Schauspieler Ludwig Stössel aus Lockenhaus war ein Filmabend im Alten Kloster gewidmet. Musikschülerinnen der Musikschule spielten Filmmusik.
- Das Booklet Mensch und Nachbar mit Sammlungen von Texten, Gedichten und Bildern wurde als Lese- und Dokumentationsbuch allen Haushalten in Lockenhaus zur Verfügung gestellt.
Die Gedenkwoche hat viele Menschen angeregt nachzudenken, sie hat auch viele Menschen aufgeregt. Die Gedenkrede von André Heller am 10. März 2018 in der Hofburg gab den Anstoß zum Gedenkprojekt 1938.2018 Shalom.Nachbar in Lockenhaus.
„Ihr müsst reden mit den Leuten, mit allen!“ (André Heller)
Fotos (Veranstaltungen der Gedenkwoche 2018)
*Mezuzah: Das auf Pergament geschriebene "Sh´ma Israel" in einem kleinen Gehäuse, das am rechten Türrahmen eines jüdischen Hause befestigt ist. Mezuzot: Plural von Mezuzah.