Emanuel Stössel

Wenig war im Jahr 2018 über Emanuel bekannt. Erst die Recherchen im Jahr 2020 brachten viele neue Erkenntnisse und das Finden von Nachkommen in England.

Emanuel Stössel wurde im Jahr 1886 in Lockenhaus geboren, gestorben, vermutlich 1942, in Polen.

Er war der Sohn von Wolf und Sophie Stössel (geb.Gerstl). Über Wolf Stössel berichtet Ägidius Schermann in seiner Chronik über Lockenhaus, dass dieser sehr um die Erziehung seiner Kinder bemüht war. Emanuel hatte fünf Geschwister. Der zweitgeborene Bruder Max Mordechai dürfte das Geschäft des Vaters in Lockenhaus übernommen haben, der älteste Bruder Moritz und die zwei Schwestern Hermine und Berta siedelten sich in kleinen ungarischen Dörfern nahe der Grenze an, Schwester Eugenie, die in Lockenhaus ein Haus besaß, verkaufte dies und zog zuerst nach Wr. Neustadt und später nach Wien.

Emanuel ging nach Mödling und führte dort eine Handelsgesellschaft. Er war verheiratet mit Valerie Breuer, 1932 wurde er Vorstandsmitglied der IKG- Mödling. Sein Wohnhaus in der Klostergasse 8 hat eine lange Geschichte, die bis in das Jahr 1200 zurückreicht. Von 1865 bis 1889 befand sich darin ein Jüdisches Bethaus, auch von einer Badeanstalt wird berichtet.
Emanuel Stössel führte in dem Haus, in dem er mit seiner Familie wohnte, auch er ein Geschäft und es war der Sitz seiner Handelsgesellschaft und Kommission für Hülsenfrüchte, Landesprodukte und Kolonialwaren, (Auszug aus Telefonbuch).

Stössel E
Erinnerungsstein in Mödling, Klostergasse 8

Im Jahr 1938 wurde die Familie Stössel, wie alle Juden, aus Mödling vertrieben. Es sind zwei Adressen des Ehepaars Valerie und Emanuel Stössel in Wien bekannt. Tandelmarktgasse 8/5 und Hollandstraße 10/20, eine Sammelwohnung, im 2. Wiener Gemeindebezirk.
Am 19.10.1941 wurden Emanuel und Valerie nach Litzmannsstadt/Lodz deportiert (Transport 7, Zug Da 5 von Wien, Österreich nach Lodz, Ghetto, Polen am 19/10/1941)

Wann die beiden ermordet wurden ist unbekannt. Man weiß, dass Emanuel Stössel im Jänner 1942 noch am Leben war, da ein von ihm unterschriebenes Schriftstück aus dem Ghetto Litzmannsstadt erhalten ist. Das Lager diente vor allem als Zwischenstation vor der Deportation in die deutschen Vernichtungslager Kulmhof, Auschwitz II, Majdanek, Treblinka und Sobibor. Ein Enkel von Valerie und Emanuel Stössel hat in Yad Vashem recherchiert und dort die Bestätigung erhalten, dass beide in Auschwitz ermordet wurden. Die Nationalsozialisten führten akribische Aufzeichnungen und diese sind in Yad Vashem einzusehen. Sie enthalten das Datum der Deportation von Österreich nach Lodz, das Datum des Transports nach Auschwitz, das Datum ihrer Ankunft in Auschwitz. Am Tag ihrer Ankunft im Lager in Auschwitz wurden sie sofort in die Gaskammern gebracht und ermordet. (Diese Information stammt von einem Nachkommen von Emanuel Stössel, nach seinem Besuch in Yad Vashem)

Tochter Sophie schrieb im Jahr 1975 ein Gedenkblatt/Page of Testimony in Yad Vashem. Auch ein Enkel, Peter, hat im Jahr 2006 ein Gedenkblatt in Yad Vashem verfasst.

Quellen: Schermann Chronik, Yad Vashem, DÖW doew.at.

Aktualisierung im Jahr 2020

2.12.2020

Im Jahr 2020 meldete sich bei shalom.nachbar in Lockenhaus ein Enkel von Sophie Stössel. Sie war die zweitgeborene Tochter von Emanuel und Valerie Stössel. Er hat durch Zufall die Homepage shalom-nachbar gefunden und konnte so, neben den eigenen neuen Erkenntnissen, die er durch die Homepage über seine Vorfahren gefunden hat, auch an shalom.nachbar wertvolle neue Informationen zur Familie des Emanuel Stössel geben. Valerie und Emanuel hatten drei Töchter. Alle drei überlebten den Holocaust. Franzi, Sophie und Gretel.

Franzi, sie war die älteste der drei Schwestern, gelang gemeinsam mit ihrem Ehemann die Flucht nach England. In den frühen 60er Jahren emigrierten sie mit den beiden Söhnen in die USA. Beide Söhne hatten Kinder.

Sophie, geb. im Juli 1919 in Wiener Neustadt, war neunzehn Jahre alt, als ihr die Flucht nach England gelang. Am 15. November 1938 konnte sie aus Wien nach London flüchten. Sie heiratete 1940, am Vorabend seiner Internierung ("enemy alien") auf der Isle of Man, einen jungen Österreicher. Beide engagierten sich in London in der Young Austria Bewegung, einer Vereinigung der Free Austrian Mouvement, die in England von ÖsterreicherInnen gegründet wurde, um den Verfolgten eine "Heimat" in der Fremde zu geben. Sophie und ihr Ehemann hatten zwei Söhne. Beide leben mit Ihren Familien (Kinder und Enkelkinder) in London. Sophie wurde 87 Jahre alt, sie starb 2006. „Der Holocaust war die große Tragödie ihres Lebens. Ein ständiger Schatten“. (Zitat eines ihrer Söhne)

Gretel (Margaret), geb. am 31. März 1923, war die jüngste der drei Schwestern. Sie wurde nach der Pogromnacht im November 1938, über einen Kindertransport des Roten Kreuzes nach England gebracht. Ob die Eltern Emanuel und Valerie wussten, wohin ihre jüngste Tochter geschickt wurde, ist unklar. In England angekommen wurde die fünfzehnjährige Gretel, im Gegensatz zu anderen Kindern aus den Kindertransporten, leider nicht von einer Familie aufgenommen, sondern kam in ein Waisenhaus. Gretel bezeichnete das Heim, in ihren wenigen und skizzenhaften Erzählungen, eher als ein „Arbeitslager“. Erst 1940 war sie wieder mit ihren Schwestern vereint und lernte ihren zukünftigen Ehemann, der ebenfalls aus Wien stammte, in England kennen. 1949 wanderten sie in die USA aus. Gretel wurde 78 Jahre alt, sie starb 2001. Nachkommen von Gretel leben heute in den USA. Gretel sprach „niemals über ihre Eltern und sehr wenig über ihr Leben auf der Flucht, auf Fragen dazu wurde sie immer sehr still. Darüber zu sprechen war zu schmerzvoll“. (Zitat ihres einzigen Sohnes)

Im Jahr 2021 waren die Nachkommen von Emanuel Stössel zu Besuch in Lockenhaus. Es war ein sehr emotionales Treffen im Café, welches sich heute im ehemaligen Wohnhaus der Familie Stössel befindet. Weitere Besuche wurden vereinbart. Eine Urenkelin von Emanuel und Valerie Stössel wird im Jahr 2024 nach Österreich kommen und in den Schulen der Region über die Geschichte Ihrer Familie erzählen.